Frau Dr. Obama, was waren die größten Herausforderungen für die von Ihnen betreuten Schüler aufgrund der Covid-19-Pandemie?
Aufgrund des Lockdowns konnten die Schüler nicht zu uns kommen. Alle Einrichtungen in Kenia wurden geschlossen, die Kinder durften nicht in die Schulen, nicht in die Kirche bzw. in öffentliche Einrichtungen, und leider auch nicht zu uns. Das war eine große Herausforderung für uns. Mit Remote-Learning wollten wir insbesondere den Schülern helfen, die am Schuljahresende Examen ablegen müssen. Da es in den meisten Familien kein Stromanschluss und auch kein Internet gibt, haben die Schüler anfangs die Lernmaterialien bei uns am Eingang abgeholt und sollten dann die Aufgaben zuhause allein bearbeiten. Das stellte sich aber als sehr schwierig heraus, denn sie waren ohne Betreuung und sehr isoliert zuhause und brauchten mehr Unterstützung. Deshalb haben wir das Konzept etwas verändert, denn wir haben hier im Ausbildungszentrum genügend Platz für Social Distancing und auch die Lehrer. Diese haben wir mit der nötigen Schutzausrüstung wie Face Shields und Masken ausgestattet. So konnten die Schüler zu uns kommen und hier, in verschiedenen Räumlichkeiten aufgeteilt, unterrichtet werden. Sie kommen jeden Tag in der Woche zu Sauti Kuu.
Wie hat Ihnen der Corona Fund Education Healthcare dabei geholfen?
Außerdem führen wir Sensibilisierungsschulungen zu Covid-19 durch, um die Schüler über die Krankheit selbst und Präventionsmaßnahmen aufzuklären. Jeden Montag gibt es eine Unterrichtseinheit dazu. Die Schüler präsentieren dabei auch selbst vor ihren Mitschülern ihre Aufgaben. Ihr Bewusstsein für die Krankheit ist dadurch deutlich gestiegen. Diese Arbeit ist sehr wichtig, weil die Leute auf dem Land kaum Masken tragen.
Haben Sie auch die Familien der Schüler unterstützt?
Ja, mit dem Grow-To-Eat-Projekt. Damit wollen wir Familien helfen, sich langfristig selbst versorgen zu können. Im ersten Schritt haben wir den Familien zwar Lebensmittelpakete verteilt, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie Küchengärten anlegen. Jetzt haben wir unser Programm auch für Schüler anderer Klassen, die noch nicht wieder in die Schule dürfen, erweitert und unterrichten sie bei uns. Die Familien dieser Kinder müssen ebenfalls Küchengärten anlegen, damit die Kinder an dem Programm teilnehmen können. Und die Kinder selbst müssen beim Anlegen der Gärten mitmachen und ihren Eltern dabei helfen. Die Familien erhalten auch Lebensmittelpakete als Starthilfe, denn die Gärten brauchen ja Zeit zum Wachsen. Die Verteilung von Essen ist zwar wichtig, doch sie steht nicht im Vordergrund, sondern ist mehr eine Art von Motivation und Belohnung für die Bereitschaft, die Gärten anzulegen. Primär geht es bei der Initiative darum, dass die Familien sich mit den Gärten selbst versorgen können, damit sie nicht dauerhaft abhängig sind von Hilfe von außerhalb und sich selbst helfen können. Und das Gute ist: Die Kinder lernen zusammen mit ihren Eltern, wie sich selbst versorgen können.
Wie wurden die Angebote angenommen und zeichnet sich schon ein Erfolg ab?
Die Examenskandidaten haben unsere Angebote zur Prüfungsvorbereitung begeistert angenommen und sind regelmäßig zum Unterricht gekommen. Über die Feedback-Formulare, die die Schüler ausfüllen, wissen wir, dass sie besonders das Lernen in den kleinen Gruppen sehr schätzen.
Die Schüler haben auch gelernt, wie gefährlich die Covid-19-Pandemie ist und wissen, wie sie sich und andere vor Ansteckung schützen können. Sie tragen ihre Masken und halten die Abstands- und Hygieneregeln ein. Und wir hoffen natürlich, dass sie ihr Wissen in ihren Gemeinden auch weitergeben. Bei den Küchengärten stehen wir erst am Anfang, aber die Familien freuen sich sehr daran und auch die Kinder arbeiten begeistert daran mit.
Wann werden die Schulen in Kenia wieder öffnen?
Die Schulen in Kenia sind seit Mitte Oktober wieder geöffnet, aber nur für die Klassen, die die nationalen Schulprüfungen ablegen müssen, also die vierten und achten Klassen sowie die Abiturjahrgänge. Deshalb können unsere Examenskandidaten nicht mehr zu uns kommen, weil sie in die Schule gehen und auch am Wochenende viel lernen müssen.
Sauti Kuu Foundation
Sauti Kuu ist Kishuaheli für „starke Stimmen”. Die Sauti Kuu Foundation will jungen Menschen im ländlichen Kenia Chancen auf eine bessere Zukunft eröffnen. Bei Sauti Kuu in Alego erwerben sie wichtige Fähigkeiten, neues Wissen und soziale Kompetenzen. Die Angebote reichen von Bildung, Sport, Aktivitäten zur Persönlichkeitsentwicklung, Aus- und Weiterbildung bis hin zur Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in der ländlichen Region Kenias. Das Hauptziel von Sauti Kuu besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, das ein ganzheitliches Wachstum und eine ganzheitliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ermöglicht.
Die Kinder, die Sauti Kuu in Kenia unterstützt, kommen aus Siaya County, einer ländlichen Region, in der ca. 3000 bis 4000 Familien leben. Sie sind im Alter von 4 bis 25 Jahren. Von einem Radius von bis zu fünf Kilometern Entfernung kommen die Kinder zu Sauti Kuu – eine Strecke, die sie gut zu Fuß laufen können, um vor Einbruch der Dunkelheit zuhause zu sein.
Im Moment entwickelt Sauti Kuu für das Berufsbildungszentrum, dessen Gebäude von der PATRIZIA Foundation mitfinanziert wurde, ein Curriculum für acht Fächer, um Jugendlichen einjährige Orientierungskurse (Englisch: Foundation course) vor der Berufsausbildung anzubieten. Die Jugendlichen können in verschiedene Fächer hineinschnuppern, um herauszufinden, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen – damit sie sich für einen bestimmten Ausbildungsweg entscheiden, weil sie den Beruf wirklich lernen wollen, nicht weil sie es müssen.