Christian Grünhaus: Sichtbare Wirkung

Nov, 2022

1999 wurde die PATRIZIA Foundation gegründet – mit dem Ziel, Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Seither hat die Stiftung über 250.000 Kinder in ihren 20 PATRIZIA KinderHäusern rund um den Globus unterstützt. Das erste PATRIZIA KinderHaus wurde vor 20 Jahren in Peramiho/Tansania eröffnet. Inzwischen sind noch drei weitere Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft in Betrieb genommen worden. Das Engagement ist damit in der Region deutlich sichtbar. Doch was hat dieses tatsächlich bewirkt? Und wie lassen sich Wirkungen und Auswirkungen sozialen Engagements überhaupt messen? Ein Gespräch mit Christian Grünhaus, wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrums für Non-Profit-Organisationen (NPO) und Social Entrepreneurship der Wirtschaftsuniversität Wien (WU).

Was verbindet Sie mit der PATRIZIA Foundation?

Die PATRIZIA Foundation ist an uns mit dem Wunsch herangetreten, die Wirkung ihres Engagements zu messen. Da die Stiftung seit über 20 Jahren in vielen Projekten und Ländern aktiv ist, braucht es hierfür eine gute Grundlage in Form eines Wirkungsmodells, das die Tätigkeiten mit den Wirkungen logisch verknüpft. Wir starteten einen gemeinsamen Prozess zur Entwicklung dieses Modells, das letztlich auch die internen Stakeholder und Unterstützungsprozesse abbildete. Auf dieser Basis erstellten wir Wirkungsmessungsinstrumente, die nun erstmals in Tansania eingesetzt wurden. Da die Stiftung hier schon lange aktiv ist, lassen sich dort gleichermaßen kurz- und langfristige Effekte erfassen. Unser Projektteam ist gerade zurück von einer Bestandsaufnahme vor Ort.

Warum hat die PATRIZIA Foundation Sie ins Boot geholt?

Stiften ist zwar eine gute Sache, doch kein Selbstzweck. Vielmehr soll Stiftungsarbeit etwas zum Besseren verändern. Und genau diesen Impact versuchen wir zu messen. Insofern dient unser Untersuchungsergebnis zum einen als konkreter Wirkungsnachweis für das Engagement in Tansania, zum anderen als Orientierungsmaßstab für die Bewertung ähnlicher Projekte der Stiftung.

Wie misst man den Impact einer Non-Profit-Organisation?

Üblicherweise fokussieren sich NPOs bei der Darstellung ihres Engagements auf die erbrachten Leistungen. Bisher auch die PATRIZIA Foundation: Es wurde so und so vielen Kindern der Schulbesuch ermöglicht, so und so viele Kinder im Krankenhaus behandelt oder für so und so viele Kinder ein sicheres Zuhause geschaffen. Diese auf den Output fokussierte Betrachtung greift allerdings viel zu kurz. Um die Wirkung bzw. den Outcome zu erfassen, müssen wir deutlich mehr Dimensionen erfassen.

Was heißt das genau?

Nehmen wir als Beispiel die häusliche Pflege. Was ist der Impact eines Pflegedienstes? Das ist weit mehr als die reine Zahl der betreuten Pflegebedürftigen. Durch das Wirken des Pflegedienstes verbessert sich der Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen, gleichermaßen steigt seine Lebensqualität und -erwartung. Und das ist nur die reine Patientensicht. Auch für pflegende Familienangehörige wirkt sich das Handeln des Pflegedienstes aus. Ihre Lebensqualität steigt ebenfalls, sie sind nicht mehr so eingebunden, können ihrem Beruf wieder besser nachkommen. Für den Arbeitgeber heißt das dann wiederum, dass er weiterhin auf seine Mitarbeiter zählen kann. Es entstehen somit vielfältige Wirkungen, in ganz unterschiedliche Richtungen.

Wie versuchen Sie, diese Wirkungen zu erfassen?

Wir haben ein Raster entwickelt, um Wirkungen zu systematisieren. Als erstes fragen wir uns immer, welche Wirkungen entstehen können – sei es auf der ökonomischen, ökologischen, kulturellen, sozialen oder politischen Ebene. Dann fragen wir uns, wo sie im Einzelnen entstehen: beim Individuum, bei der Organisation oder in der Gesellschaft. Und zu guter Letzt untersuchen wir, wann Wirkungen entstehen. Das kann kurz-, mittel- oder langfristig sein.

Wie kann man sich das konkret bei den Projekten der PATRIZIA Foundation in Tansania vorstellen?

Ausgangspunkt jeder Wirkungsanalyse ist immer ein Wirkungsmodell, das zuerst hypothetisch ausgearbeitet und im Anschluss empirisch überprüft wird. Vereinfacht kann man sagen, dass wir zwischen Output und Outcome unterscheiden. In der Kategorie Output schauen wir beispielsweise darauf, wie viele Kinder die Schule besucht haben oder im Krankenhaus behandelt wurden. In der Kategorie Outcome geht es darum, die Wirkung zu messen bzw. abzuschätzen. Wird durch den Schulabschluss eine Berufsausbildung möglich? Führt das zu einem höheren Familieneinkommen? Nehmen Familien aus der Nachbarschaft diese Entwicklung als Vorbild? Dies sind nur ein paar Fragen, um die Wirkung zu messen.

Wir erheben diese Daten über zumeist über Befragungen und Informationen vor Ort. Die Ergebnisse verdichten wir und verknüpfen sie mit dem Wirkungsmodell. So ist ersichtlich welche der vermuteten Wirkungen in welchem Ausmaß eintreten. Sofern es sich um eine wiederkehrende Wirkungsanalyse handelt, erstellen wir Erhebungsinstrumente für ein Wirkungsmonitoring. Damit schaffen wir die Grundlage, dass die PATRIZIA Foundation künftig über standardisierte Fragebögen ihren Impact als Organisation jährlich erfassen und im Zeitverlauf vergleichen kann.

Warum sind Wirkungsanalysen für Non-Profit-Organisationen wichtig?

Das Thema Nachhaltigkeit hat für Unternehmen enorm an Bedeutung gewonnen – das gilt auch für ihr soziales Engagement. Sie wollen damit nachweisen, welchen Wert sie für die Gesellschaft abseits des finanziellen Gewinns schaffen. Non-Profit-Organisationen beschäftigen sich schon deutlich länger damit aufzuzeigen, welchen gesellschaftlichen Mehrwert sie schaffen. Anders als in der Welt der auf finanziellen Gewinn orientierten Wirtschaft zeigt sich der Return ihres Investments von vornherein nicht in Dollar oder Euro. Vielmehr spiegelt sich ihr Return in Währungen, wie sozialer Friede, Wohlstand oder Bildungschancen wider. Anders ausgedrückt: Wir errechnen gesellschaftliche Renditen in Bezug auf eingesetzte Investitionen im Non-Profit-Sektor. Mit einer konsequenten Wirkungsorientierung kann aufgezeigt werden, welche Leistungen effektiv sind und an welchen Stellen Veränderungen sinnvoll und notwendig sind.

Was für Vorteile hat die Wirkungsanalyse?

Indem wir den Impact der Stiftung sichtbar machen und die „Sozial-Währungen“ erfassen, steigt die adäquate Legitimation der Non-Profit-Organisation. Sie zeigt den Erfolg, den sie erreichen möchte. Dadurch fällt die Ansprache von neuen Investoren leichter. Zudem gibt man Sponsoren und Spendern neben einem guten Gefühl auch harte Fakten an die Hand, mit denen sie ihr soziales Engagement rechtfertigen können. Letztlich kann das Management wirkungsorientiert steuern und Mittel dort einsetzen, wo sie am effektivsten sind. Kurz: Mit dem Sichtbarmachen von Wirkungen schafft man eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Dr. Christian Grünhaus

Dr. Christian Grünhaus ist seit 2013 wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrums für Non-Profit-Organisationen (NPO) und Social Entrepreneurship der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Handelswissenschaften war er an unterschiedlichen Forschungsprojekten mit Fokus auf NPOs tätig. Im Jahr 2003 begann er am interdisziplinären Institut für Non-Profit Sektor Forschung mit dem Aufbau eines Schwerpunkts angewandter Forschung. Später übernahm er bis 2010 die Geschäftsführung des Instituts, bevor er Anfang 2011 Direktor des NPO-Kompetenzzentrums der WU Wien wurde.

In den letzten Jahren hat er zahlreiche angewandte Forschungsprojekte und Evaluationen mit Fokus auf Wirkungsanalyse und Wirkungsmessung geleitet. Seine aktuellen Forschungs- und Interessensschwerpunkte liegen im Bereich Finanzierung und Governance von NPOs sowie der (ökonomischen) Evaluation von Organisationen, Projekten und Programmen mit Fokus auf gesellschaftlichen Mehrwert. Methoden der Social Impact Messung und insbesondere SROI-Analysen spielen hierbei eine bedeutende Rolle. Grünhaus publizierte hierzu mit Kollegen zwei umfangreiche Werke zur SROI-Analyse unter seinem früheren Namen Schober.