Tansanias Bevölkerung wächst im Rekordtempo: Gegenüber 2010 ist die Einwohnerzahl von 45 Millionen um nahezu 50 % auf aktuell 65 Millionen gestiegen. Mittlerweile ist die Hälfte der Menschen dort 14 Jahre und jünger. Das staatliche Schulsystem konnte mit dieser rasanten Entwicklung im Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten und ist vollkommen überlastet. In öffentlichen Schulen sind Klassen mit über 100 Schülern eher die Regel als die Ausnahme. Zudem mangelt es an Schulbüchern, Mobiliar, Trinkwasser und Verpflegung. Viele Eltern setzen deshalb alles daran, ihre Kinder auf eine Schule zu schicken, die ihnen eine echte Chance auf Bildung gibt. So wie in Ndanda, wo die PATRIZIA Foundation ein neues Schulgebäude für die Pre & Primary School errichtet hat. Durch den Neubau wurden zehn zusätzliche Klassenräume geschaffen, in denen nun bis zu 500 Schüler Platz finden. Ein Schulbesuch im Süden Tansanias.
6 Uhr – Abfahrt mit dem Schulbus
Wenn die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erscheinen, sitzen die Kinder aus Mtama schon im Schulbus. Jeden Morgen fährt er sie zur Abbey Pre & Primary School. Für die 50 km lange Fahrt braucht der Bus rund eine Stunde, da er unterwegs immer wieder stoppt, um weitere Kinder einzusammeln. Um 7 Uhr an der Schule angekommen, purzeln insgesamt 40 Jungen und Mädchen aus dem Bus. Für den Schulbus geht es sofort weiter, um Kinder aus den näher gelegenen Ortschaften zur Schule zu transportieren. In Summe verfügt die Schule über sechs Schulbusse, die jeden Morgen dafür sorgen, dass rund 400 Kinder pünktlich um 7.30 Uhr da sind und der Schultag gemeinsam mit dem Singen der Nationalhymne beginnen kann.
Das Schulsystem in Tansania
Die Abbey Pre & Primary School wurde 2018 von den Missionsbenediktinern in Ndanda gegründet. Neben den drei Vorschulklassen gibt es derzeit die Klassenstufen P1 bis P5 der Primary School. „Die Schule ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Für weitere Klassen gab es bislang keinen Platz“, sagt Kristian Bollmann vom Partner- und Projektmanagement der PATRIZIA Foundation. „Durch unseren Neubau haben wir die dringend benötigten zehn zusätzlichen Klassenräume geschaffen. Damit kann die Schule bis zur Klassenstufe P7 ausgebaut werden und insgesamt weitere 280 Schüler aufnehmen.“
8 Uhr – Unterrichtsbeginn
Genau 409 Schüler sind aktuell an der Abbey Pre & Primary School angemeldet. Jeden Morgen wird die Anwesenheit überprüft und dokumentiert. „Wir achten sehr darauf, dass unsere Schüler auch wirklich jeden Tag da sind“, sagt Schulleiterin Theresia Machota. „Unsere Anwesenheitsquote liegt im Durchschnitt bei 98 %. Das zeigt, welchen Stellenwert das Thema Schule bei Eltern, Kindern und Lehrern hat.“
Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie Suaheli, Englisch (Schreiben und Lesen), Mathematik, Sozialkunde, Naturwissenschaften, Gesundheitserziehung, Religion und Sport. Der Unterricht findet dabei in Englisch statt. „Das ist ziemlich herausfordernd, da viele Kinder neben Englisch auch die Landessprache Suaheli erst einmal lernen müssen“, erklärt die Schulleiterin. „In Tansania gibt es schätzungsweise 120 gesprochene Sprachen – ebenso viele, wie es Stämme gibt. Kinder in Tansania wachsen in der Regel mit der Stammessprache als Muttersprache auf. In der Region Ndanda sind das die Sprachen Makonde, Mahua und Yao. Von daher müssen viele Kinder mit Beginn der Schule zwei Sprachen neu lernen.“
10 Uhr – Frühstückspause
Auf einer alten Fahrradfelge wird zur Pause geläutet. Im Gänsemarsch gehen alle Kinder in die Mensa. Hier gibt es für jeden Tee und Mandaazi, eine Art Krapfen oder Donut. Danach geht es dann endlich auf den großen Schulhof, auf dem man sich herrlich austoben kann – sei es beim Fangen, Verstecken oder Schaukeln.
Zwischendrin erfrischen sich die Kinder immer wieder an der Wasserstation, die mitten auf dem Schulhof steht. Machota: „Frisches und sauberes Wasser ist in unseren Schulen bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Das Wasser wird hier gerne getrunken, da es aus der Quelle der Benediktiner-Abtei stammt und Trinkwasserqualität aufweist.“
11 Uhr – Die zweite Runde
Jede Unterrichtsstunde dauert 40 Minuten. Bis zur Mittagspause werden drei Unterrichtsstunden abgehalten. Insgesamt sind 17 Lehrkräfte an der Schule beschäftigt – fünf an der Vorschule, elf an der Primary School sowie Theresia Machota als Schuldirektorin. Das Team wird zudem von weiteren 13 Mitarbeitern unterstützt, beispielsweise in der Küche, in der Verwaltung oder bei der Garten- und Gebäudepflege.
„Das Engagement des gesamten Teams ist überall sichtbar“, erklärt der Projektmanager der PATRIZIA Foundation. „Auch wenn die Bestandsgebäude lange Zeit als Krankenstation genutzt wurden, so sind sie nach wie vor sehr gut gepflegt und in einem ausgezeichneten Zustand. Gleiches gilt für das Schulareal, das sehr großzügig und auffallend grün gestaltet ist und von altem Baumbestand beschattet wird.“
13 Uhr – Mittagspause
Der Speiseplan der Schule folgt einem festen Rhythmus. Während Ugali (Maisbrei) und Makande (Mais mit Bohnen) in der Gunst der Kinder eher im Mittelfeld rangieren, ist Pilau (Gewürzreis mit etwas Fleisch) der absolute Hit. Diesen gibt es immer am Donnerstag: leider nur einmal die Woche.
„Die Verpflegung der Kinder, der Transport mit dem Schulbus, die Schuluniform, alle Kosten für den Unterricht wie Bücher, Hefte und Stifte sowie das Gehalt der Lehrer ist mit dem Schulgeld abgegolten“, sagt die Schuldirektorin. Öffentliche Schulen nehmen offiziell zwar kein Schulgeld. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Aufgrund der großen Überlastung gibt es dort von allem zu wenig, so dass staatliche Schulen standardmäßig Sondergebühren erheben.“
14 Uhr – Die letzte Einheit des Tages
Nachmittags wird neben Sport vor allem auch Religion unterrichtet. Obwohl die Schule vom Orden der Missionsbenediktiner gegründet wurde und christlich geführt wird, steht sie allen Konfessionen offen. Hier spiegelt sich das für Tansania typische friedliche Miteinander von Christentum und Islam wider: Rund 60 % der Menschen dort sind Christen, etwa 35 % Muslime.
Der Orden der Missionsbenediktiner ist seit über 100 Jahren in Ndanda vor Ort. Die Abtei betreibt nicht nur Kindergärten, Schulen, Krankenhaus und Ausbildungsstätten, sondern betreut in der Region auch zahlreiche Pfarreien. Seit Jahrzehnten stehen die Benediktiner für Stabilität und Kontinuität, indem sie für viele Menschen im Süden Tansanias ein langfristiger und sicherer Arbeitgeber sind. Bollmann: „Wir als PATRIZIA Foundation investieren in KinderHaus-Projekte, deren Betrieb wir für mindestens 25 Jahre sicherstellen. Der richtige Projektpartner ist der Schlüssel zum Erfolg. Mit den Benediktinern in Ndanda und ihrem Abt Christian Temu sind wir hier bestens aufgestellt.“
Das hat sich auch bei der Realisierung des neuen Schulgebäudes gezeigt. Baubeginn war im August 2022, Fertigstellung des Gebäudes im Mai 2023. „Diese schnelle Bauzeit war nur möglich, weil wir in unserer Abtei alle Gewerke selbst ausführen. Wir verfügen nicht nur über eine eigene Ziegelei oder eine eigene Bauabteilung mit Maurern, Elektrikern und Zimmermännern, sondern auch über eine eigene Tischlerei, die sämtliche Schulmöbel für die neuen Klassenzimmer gebaut hat“, sagt Abt Christian Temu. „Zudem hat der Schulneubau in unserer Abtei absolute Priorität genossen, da die Erweiterung der Schule ein echter Game-Changer für die Region ist. Denn Kinder und Jugendliche brauchen eine gute Ausbildung, damit sie einmal Chancen in der Berufswelt haben.“
16 Uhr – es geht zurück nach Hause
Eine halbe Stunde nach dem offiziellen Schulende bleibt den Schülern noch Zeit, mit ihren Freunden auf dem Schulhof zu spielen. Um 16.30 Uhr starten die sechs Schulbusse zum ersten Mal und bringen die Kinder aus der näheren Umgebung nach Hause zurück. Die Kinder, die von weiter herkommen, haben noch etwas mehr Zeit zum Spielen. Ihre Rückfahrt startet als zweite Tour um 17 Uhr in Ndanda. Um 18 Uhr sind auch die Kinder aus Mtama wieder zu Hause – mehr oder weniger pünktlich zum Sonnenuntergang.
Das Schulsystem in Tansania
Das Schulsystem in Tansania ist nach britischem Vorbild aufgebaut mit einer sieben Klassenstufen umfassenden Primary School, die für alle Kinder von 7 bis 13 Jahren verpflichtend ist. Zudem gibt es Vorschulklassen: Die Pre School richtet sich an Kinder von 4 bis 6 Jahren. Die weiterführenden Secondary Schools umfassen vier Klassenstufen für Kinder von 14 bis 17 Jahren (Ordinary Levels) und zwei weitere Advanced Levels (18 bis 19 Jahre), deren erfolgreicher Abschluss für einen Besuch der Universitäten notwendig ist. In Tansania sind Secondary Schools typischerweise Internatsschulen. Das liegt daran, dass das Lernumfeld zu Hause oftmals schwierig ist und die Kinder sich in der Schule besser auf die Prüfungen vorbereiten können. Nach Hause fahren sie übrigens nur in den Ferien – im Juni und im Dezember für jeweils vier Wochen sowie im April und September für jeweils eine Woche.
Asante sana!
Am 13. Mai 2023 fand die offizielle Eröffnungsfeier des neuen Schulgebäudes statt, das jetzt als PATRIZIA Pre & Primary School Ndanda firmiert. Bei einer feierlichen Messe weihte Abt Christian Temu das Gebäude sowie die zehn Klassenzimmer. „Gemeinsam mit den Schülern haben wir von morgens bis nachmittags gesungen, getanzt und sehr herzlich gefeiert. Es hat einen Riesenspaß gemacht“, erzählt Kristian Bollmann. „Ich freue mich, dass wir in so kurzer Zeit diesen großartigen Neubau auf die Beine gestellt haben. Ganz herzlichen Dank an unsere Projektpartner, die Benediktiner, für die tolle Umsetzung sowie an alle unsere Spenderpartner, die durch ihre Unterstützung dieses Projekt ermöglicht haben. Asante sana, vielen Dank!“
Die Abtei Ndanda
Auf den ersten Blick wirkt die Abtei der Missionsbenediktiner von Ndanda wenig klösterlich, denn die Mönche trifft man eher in legerem Hemd und Jeans als in Ordenstracht an. Ihren Habit tragen sie vor allem zu den Gebetszeiten. Die Missionsbenediktiner von Ndanda haben sich in ihrer über 100-jährigen Präsenz eine komplette Infrastruktur aufgebaut, um die Abtei mit all ihren Einrichtungen zu erhalten. „Wir versuchen, unsere Klöster zu weitgehend autarken Orten zu machen. Wenn wir beispielsweise darauf warten würden, dass uns die Regierung eine neue Straße baut, würden wir nie eine bekommen,“ sagt Abt Christian Temu. Was ist da naheliegender als eine eigene kleine Asphaltproduktion. „So können wir unsere Straßen selbst in Schuss halten. Das ist billiger und schneller.“ Ähnlich verhält es sich mit Strom und Wasser. Aus der idyllisch gelegenen Quelle mitten im Wald bezieht der ganze Ort Ndanda frisches, sauberes Trinkwasser, das die Missionsbenediktiner auch als „Ndanda Abbey Quellwasser“ im Süden Tansanias vermarkten.
Die Abtei in Ndanda ist eine von 55 Missionsstationen der Benediktiner, die ihren Ursprung in St. Ottilien in der Nähe von Landsberg am Lech haben. Die deutschen Wurzeln sind an vielen Stellen im Kloster sicht- und spürbar. Abt Christian Temu war selbst noch bis vor Kurzem in der Mutterabtei in Bayern tätig. Im März 2021 hat die Mönchsgemeinschaft der Abtei Ndanda ihn zu ihrem sechsten Abt gewählt. Der gebürtige Tansanier ist heute für nahezu 100 Pater und Brüder in der Missionsstation verantwortlich.